Zufall im echten Leben? Wie Zufallsnetzwerke ein romantisches Netzwerk modellieren
Schlagworte:
Agent-Based Modelling, Spannbäume, Romantische Netzwerke, Erdös-Renyi Graphen, ZufallsnetzwerkeAbstract
Die primäre Aufgabe der Soziologie ist das Verstehen und Erklären kollektiver sozialer Phänomene. Eine Grundvoraussetzung dafür ist jedoch erstens die Annahme, dass Interaktionen auf der Mikroebene zufällig sind und damit sinnhaft interpretierbar sind. Zweitens müssen aggregierte Phänomene von Zufall zu unterscheiden sein. In der Netzwerksoziologie ist das besonders deutlich, wo trotz sehr diverser Annahmen und Modellen die Literatur explizit Netzwerkmuster beobachtet, die offensichtlich nicht zufällig sind und erfolgreich Mikromechanismen vorgestellt hat, die diese erklären können. Hier wird ein Fall vorgestellt, wo beides nicht gelingt.
Im 2004 erschienenen Papier „Chains Of Affection“ von Bearman, Stovel und Moody wird ein romantisches Netzwerk in einer Amerikanischen High School beschrieben und modelliert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine spezielle lokale Norm für die wichtigsten strukturellen Merkmale dieses Netzwerkes verantwortlich ist, wie z.B. die Abwesenheit von Kreisen der Länge 4.
Im vorliegenden Papier wird ein Alternativmodell vorgestellt. Es zeigt, dass die Struktur des besagten Beziehungsnetzwerks sich durch ein einfaches Zufallsmodel reproduzieren lässt. Die Ergebnisse meiner Simulationen ergeben, dass nicht nur die Summe der Kreise, sondern auch mehrere weitere Paramater genau und mit sehr wenig Annahmen geschätzt werden können. Das hierfür verwendete Modell ist überraschenderweise ein sogenanntes Erdös-Renyi Modell, die einfachste Version eines zufälligen Graphen.
Trotz der Einfachheit ist das Modell in Bezug auf wenigen Parametern nicht robust, ist aber der erste Fall, wo Zufallsnetzwerke erfolgreich ein empirisches Netzwerk modellieren können.
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