Alleinlebende Männer im Alter
(neue) Gestaltungsmöglichkeiten und –Erfordernisse für die Konstruktion von Männlichkeiten
Keywords:
Alter(n), alleinlebende Männer, Männlichkeiten, narrative InterviewsAbstract
Die deutlich steigende Zahl alleinlebender Männer im Alter ist ein historisch neues Phänomen, das nicht nur auf strukturelle Veränderungen in der Bevölkerung älterer Menschen verweist, sondern gleichzeitig auch Ausdruck der allgegenwärtigen Destandardisierung von Lebensläufen ist: Für die Lebenssituation des Alleinlebens als Mann im Alter, sei es bedingt durch unterschiedliche Familienstandsformen (z.B. Verwitwung, Scheidung im mittleren Lebensalter, lebenslanger Ledigen-Status) oder durch neue Beziehungsstile (z.B. LAT: living apart together), gibt es nur wenige Vorbilder und Orientierungsmuster. Zudem deutet die Forschung zu Gender und Alter(n) darauf hin, dass durch den Übergang in die nachberufliche Zeit, Verluste und Auflösungen von (ehelicher) Partnerschaft sowie den Rückzug in den (weiblich konnotierten) häuslichen Bereich die Konstruktion von (hegemonialen) Männlichkeiten bedroht ist. Hieraus ergeben sich mehrere Fragen: Wie gehen alleinlebende Männer mit dieser Form der Singularität um? Was bedeutet das für ihre Konstruktion von Männlichkeit im Alter? Wie kommen Singularität und Männlichkeitskonstruktion in ihren Gestaltungsmöglichkeiten und -erfordernissen zum Ausdruck. Der Beitrag stellt Ergebnisse aus der Pilotstudie ALMA (Alleinlebende Männer im Alter in der Stadt Frankfurt am Main) vor, in der narrative Interviews mit vier – in Bezug auf Bildung, Einkommen, soziale Eingebundenheit und sexuelle Orientierung – unterschiedlich alleinlebenden Männern im Alter von 67 bis 89 Jahren durchgeführt wurden. Die erhobenen Daten wurden mit der Grounded Theory und Situational Analysis interpretiert, um biographische, zeithistorische, diskursive sowie andere, ‚non-human‘ Einflussgrößen erfassen zu können. Die Datenanalyse deutet an, dass sich die Konstruktion von Männlichkeiten entlang eines Spektrums zwischen traditionell hegemonialer und alternativ nicht-hegemonialer Varianten bewegt. Ausschlaggebend für die jeweilige Positionierung sind der Umgang mit Tätigkeiten, die sich durch das Alleinleben ergeben, mit Beziehungen zu ‚signifikanten‘ Menschen im engeren und weiteren sozialen Umfeld sowie dem Umgang mit körperlichen Veränderungen. Diese Ergebnisse unterstützen die These, dass Alter als ein Feld ‚neuer Männlichkeiten’ konturiert werden kann.
References
Archer, Margret. 2003. Structure, Agency and the Internal Conversation. Cambridge: Cambridge University Press.
Backes, Gertrud, Ludwig Amrhein und Angelika Uhlmann. 2006. Geschlecht und Alter(n). Überlegungen zu einem Forschungsprogramm. Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien 2(3):15–24.
Baumgarte, Diana, Nina Wehner, Andrea Maihofer und Karin Schwiter. 2017. „Wenn Vater, dann will ich Teilzeit arbeiten“ Die Verknüpfung von Berufs- und Familienvorstellungen bei 30-jährigen Männern aus der deutschsprachigen Schweiz. GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Sonderheft 4:76–91.
Clarke, Adele. 2015. From Grounded Theory to Situational Analysis. What‘s new? Why? How? In Situational Analysis in Practice, Hrsg. Adele Clarke, Carrie Friese und Rachel Washburn, 84–118. New York: Routledge.
Denning, Tina und Lea Schütz. 2017. Alter(n) und Geschlecht: (Neu-)Verhandlungen eines sozialen Zusammenhangs. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Fooken, Insa. 2014. Neue Lebensläufe der Geschlechter aus entwicklungspsychologischer Sicht. In Lebensläufe im Wandel, Hrsg. Hans-Werner Wahl und Andreas Kruse, 372–385. Stuttgart: Kohlhammer.
Gildemeister, Regina und Robert Günther. 2008. Geschlechterdifferenzierungen in lebenszeitlicher Perspektive. Interaktion – Institution – Biografie. Wiesbaden: Springer VS.
Gilleard, Chris und Paul Higgs. 2015. Connecting Life Span Development with the Sociology of the Life Course: A New Direction. Sociology 50(2):301–315.
Gilleard, Chris und Paul Higgs. 2005. Contexts of Ageing. Cambridge: Polity.
Gilleard, Chris und Paul Higgs. 2000. Cultures of Ageing – Self, Citizen and the Body. Harlow: Prentice Hall.
Hearn, Jeff. 1995. Imaging the Aging of Men. In Images of Aging – Cultural Representations of Later Life, Hrsg. Mike Featherstone und A. Wernick, 97–115. London: Routledge.
Holst, Elke und Friederike Maier. 1998. Normalarbeitsverhältnis und Geschlechterordnung. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 31(3):506–518.
Hollstein, Bettina und Jürgen Pfeffer. 2010. Netzwerkkarten als Instrument zur Erhebung egozentrierter Netzwerke. In Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen, Hrsg. Hans-Georg Soeffner. Verhandlungen des 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena 2008.
Höpflinger, Francois. 2007. Männer im Alter – Altern von Männern. In Soziale Arbeit mit Jungen und Männern, Hrsg. Walter Hollstei und Michael Matzner, 243–259. München: Reinhardt.
Krekula, Clary. 2007. The Intersection of Age and Gender. Reworking Gender Theory and Social Gerontology. Current Sociology 55(2):155–171.
Laslett, Peter. 1989. A Fresh Map of Life. The Emergence of the Third Age. London: Weidenfeld and Nicolson Ltd.
Leontowitsch, Miranda, Frank Oswald und Insa Fooken. 2016. Pilotprojekt: Alleinlebende Männer im Alter – Neue Geschlechterverhältnisse im Alter? Eine erste Bestandsaufnahme in der Stadt Frankfurt am Main. Gefördert vom Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst (2016–2018).
Leontowitsch, Miranda. 2017. Altern ist nicht nur weiblich – Das Alter als Feld neuer Männlichkeiten. In Alter(n) und Geschlecht: (Neu-)Verhandlungen eines sozialen Zusammenhangs, Hrsg. Tina Denninger und Lea Schütz, 108–130. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Meuser, Michael. 2007. Herausforderungen: Männlichkeit im Wandel der Geschlechterverhältnisse. Köln: Rüdiger Köppe.
Meuser, Michael und Ulrike Nagel. 1991. ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. In Qualitativ-emprische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen, Hrsg. Detlef Garz und Klaus Kraimer, 441–471. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Oswald, Frank und Hans-Werner Wahl. 2016. Alte und neue Umwelten des Alterns – Zur Bedeutung von Wohnen und Technologie für Teilhabe in der späten Lebensphase. In Teilhabe im Alter gestalten, Hrsg. Gerhard Naegele, Elke Olbermann und Andrea Kuhlmann, 113–130. Heidelberg: Springer.
Rosenmayr, Leopold. 1987. Altsein im 21. Jahrhundert. In Die ergraute Gesellschaft, Hrsg. Deutsches Zentrum für Altersfragen, 460–485. Berlin: Deutsches Zentrum für Altersfragen.
Scholz, Sylka. 2004. Männlichkeit zählt. Lebensgeschichtliche Identitätskonstruktionen ostdeutscher Männer. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Statistisches Bundesamt. 2017. Statistisches Jahrbuch Deutschland 2017. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Statistisches Bundesamt. 2015. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Ausgangsdaten der Bevölkerungsfortschreibung aus dem Zensus 2011. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Statistisches Bundesamt. 1997. Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1997. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Statistisches Jahrbuch Frankfurt am Main (2016). https://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/678/J2015K02x.pdf (Zugegriffen: 30. Januar 2019)
Strauss, Amselm und Juliet Corbin. 1997. Grounded Theory in Practice. Thousand Oaks (CA): Sage.
Wilbers, Joachim. 1989. Singularisierung – Eine Entwicklung in der Zukunft? In Kompetenz im Alter, Hrsg. Christoph Rott und Frank Oswald, 331–342. München: Bayerischer Monatsspiegel.
Wimbauer, Christine. 2012. Wenn Arbeit Liebe ersetzt. Doppelkarrierepaare zwischen Anerkennung und Ungleichheit. Frankfurt am Main: Campus.
Downloads
Published
How to Cite
Issue
Section
License
Beiträge im Verhandlungsband des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie werden unter der Creative Commons Lizenz "Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International (CC BY-NC 4.0)" veröffentlicht.
Dritte dürfen die Beiträge:
-
Teilen: in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten
-
Bearbeiten: remixen, verändern und darauf aufbauen
unter folgenden Bedinungen:
-
Namensnennung: Dritte müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden
-
Nicht kommerziell: Dritte dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen