Integrationspolitik als kommunale Sozialpolitik
Strategien und Handlungsspielräume
Keywords:
Integrationspolitik, Sozialpolitik, Integrationskonzepte, MigrationAbstract
Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahren einen starken Anstieg der Zuwanderung verzeichnet. Obgleich in der öffentlichen Debatte Migration oft mit innen- und sicherheitspolitischen Fragen verknüpft wird, müssen Migration und Integration immer auch im Zusammenhang mit Sozialpolitik gesehen werden (Busemeyer et al. 2013). So entstehen durch Migration Kosten für die Migrierenden, aber auch für die aufnehmende Gesellschaft (Filsinger 2017a). Dementsprechend kann der lokale Sozialstaat diese sozialen Härten bearbeiten und im Idealfall mildern. Dies gilt umso mehr als die Fluchtmigration mit besonderen Härten verbunden ist (Filsinger 2017a). Migrations- und Integrationspolitik ist somit immer auch Sozialpolitik. Nichtsdestotrotz ist der kommunale Sozialstaat in einem Dilemma: Lokale Herausforderungen müssen bewältigt werden, ohne dass die großen Linien der Politik maßgeblich mitbestimmt werden können. Kommunen sind auch Adressaten einer Bundespolitik, die sie nicht immer beeinflussen können. Allerdings sollte das Potential der kommunalen Akteure nicht unterschätzt werden, sind sie doch für die Ausgestaltung der Programme verantwortlich und können darüber hinaus auch eigene Programme auflegen (Filsinger 2018a). Folglich sollte der „kommunale Sozialstaat“ im Bereich der Migrationspolitik besonders in den Blick genommen werden, muss dieser doch unmittelbar Zuwanderung und Integration bearbeiten.
Hier knüpft der vorliegende Beitrag an. Wir argumentieren, dass Kommunen Integrationskonzepte nutzen, um die kommunalen Problemstellungen im Bereich Integration anzugehen und somit ihren Handlungsspielraum im Rahmen des Mehrebenensystems nutzen. Unsere empirische Analyse zeigt, dass ca. 40 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte ein kommunales Integrationskonzept verabschiedet haben. Insbesondere urbane Landkreise und Städte scheinen im Feld der Integrationspolitik besonders aktiv zu sein. Erste inhaltliche Analysen der Konzepte und qualitative Fallstudien zeigen darüber hinaus, dass Integrationspolitik als Querschnittsaufgabe erkannt wird und somit viele verschiedene Politikfelder beinhaltet. Kommunale Integrationspolitik scheint zunehmend als Teil der kommunalen Sozialpolitik verstanden zu werden. Es lässt sich zunehmend beobachten, dass das Ziel der Politik eine zunehmend integrierte Stadtgesellschaft ist. Ferner wird deutlich, dass die Vorreiterstädte sich in einem Übergang von einer spezialisierten Integrationspolitik zu einer allgemeinen Sozialpolitik befinden.
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