Abwertung als Katalysator der Identitätsbildung - Analogien zwischen Ostdeutschen und muslimischen Migrant*innen

Authors

  • Daniel Kubiak Humboldt-Universität zu Berlin

Keywords:

Migration, Identität, Integration, Ostdeutschland, Abwertung, Othering, Qualitative Methoden

Abstract

Die Diskussionen um nur teilintegrierte Ostdeutsche (Bax 2011) vor allem in Sachsen in der Debatte um PEGIDA, AfD und generell starken rechtsextremen Tendenzen in Ostdeutschland zeigen, dass Integration kein eindimensionales Konzept ist, in dem sich von außen Zugewanderte in ein vermeintlich hiesiges Konstrukt integrieren müssten. Integration verläuft in verschiedenen Dimensionen und kann bei Individuen ungeachtet ihrer Herkunft scheitern.

Unter diesem Aspekt gibt es bereits Forschungen, die sich mit Ostdeutschen als „Minderheiten im eigenen Land“ (den Hertog 2004) oder als „symbolische Ausländer“ (Pates und Schochow 2013) auseinandersetzen. Ostdeutsche sind in den 25 Jahren der deutschen Einheit vor allem einer andauernden diskursiven Abwertung ausgesetzt (Ahbe 2004, Engler 1999, Hollenstein 2012). Hier kommt auch eine Beobachtung zu tragen, die als Einheitsfiktion bezeichnet werden kann. Politische Einheit wird in der Bundesrepublik auch immer als kulturelle Einheit gleichgesetzt und wer dieser nicht entspricht gilt als nicht angekommen, als nicht integriert (Matthäus und Kubiak 2016). Für meinen Beitrag möchte ich gerne vergleichend untersuchen, welche Parallelen sich bezugnehmend auf die oben genannten theoretischen Überlegungen in den Narrativen zu den Diskursen von Migrant_innen und Ostdeutschen finden lassen. Narrative, wie die eigene wahrgenommene Abwertung; die Orientalisierung (Said 2012 [1978]) gesamter Gruppen, die nicht zu dem westdeutschen weißen „Normal-Null“ gehören (Roth 2008; Quent 2015) oder hybride Identitäten lassen sich an beiden Gruppen abarbeiten.

Ich werde meine eigene empirische Forschung zu deutsch-deutscher Identitätsbildung nutzen, um Parallelen und Unterschiede zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und Ostdeutschen herauszuarbeiten. Hierzu habe ich Imitation Games in Berlin, Bremen und Rostock mit insgesamt rund 170 Teilnehmer_innen durchgeführt (vorranging mit Menschen, die zwischen 1990 und 1995 geboren wurden) und diese Forschung durch Gruppendiskussionen in ost- und westdeutschen Großstädten (Berlin, Bremen, Rostock, Frankfurt am Main, Dresden, Köln und Leipzig) ausschließlich mit Menschen, die zwischen 1990 und 1995 geboren wurden, angereichert. Während die Teilnehmer_innen in den Imitation Games vor allem auf ihr Wissen über sich selbst und die „Anderen“ zurückgreifen mussten, um die Imitator_innen zu erkennen bzw. selbst erfolgreich imitieren zu können, und nur schriftlich über einen Computerserver in Kontakt standen, lassen sich in den Gruppendiskussionen, interne Gruppeneffekte herauslesen. Als Erkenntnisse kann ich bisher folgende Aussagen machen:

Erstens: Ostdeutsche Identitätspolitik findet vor allem als Reaktion auf (mediale) Abwertungserfahrungen statt. Zweitens: Ostdeutsche Identitätsbildung wird nicht nur durch die Eltern vorangetrieben, stattdessen wird die DDR-Sozialisation auch auf die nachfolgenden Kohorten weitergegeben, die dann ihren eigenen Umgang mit ostdeutscher Identität finden. Drittens: Aus der Perspektive einer westdeutschen Norm, lassen sich keine Anzeichen für eine westdeutsche Identität finden, stattdessen sind die Ostdeutschen als die „Anderen“ identitätsprägend. Werden Westdeutsche also auf ihr Westdeutschsein angesprochen, definieren sie dieses vor allem in Abgrenzung zu Ostdeutschen, die bestimmte Merkmale hätten, die sich von dem eigenen Selbst unterscheiden.

References

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Published

2019-09-06

How to Cite

[1]
Kubiak, D. 2019. Abwertung als Katalysator der Identitätsbildung - Analogien zwischen Ostdeutschen und muslimischen Migrant*innen. Deutsch. 39, (Sep. 2019).

Issue

Section

Ad-Hoc: Ostdeutsche Verwerfungen: Der lange Schatten der ökonomischen Abwertung