'Wollungen' und 'Zeitheimat'. 68er Generationsprobleme
Keywords:
1968, Generationen, Karl MannheimAbstract
Die 68er Studentenrevolte ist als klassischer Fall für den Mannheimschen Begriff der ‚politischen Generation’ angesehen worden. Tatsächlich entspricht diese Formation einer jugendlich-bürgerlichen, männlich-elitären Avantgarde der vermeintlich kommenden Entwicklungen dem wiederkehrenden Modell einer ‚vor-revolutionären Generation’, wie etwa bei der ‚French Generation of 1820’ oder der ‚pre-revolutionary generation’ vor dem Easter Rising in Dublin 1916. Es ist aber evident, dass solche (Selbst)Zuschreibungen von dem tatsächlichen Eintreten der gewünschten revolutionären Veränderung und den damit verbundene Erfolgserzählungen ebenso abhängt wie von den behaupteten »Wollungen«, die Karl Mannheim selber zum Kern der Generationsbildung gemacht hat. Dieser »voluntaristische« Generationsbegriff ist daher wenig mehr als ein politisches Distinktionsmerkmal, das sich wie im Fall von 68 der retrospektiven Deutungshegemonie einer »Erlebniselite« mehr verdankt als der historischen Dynamik des politischen Prozesses selber.
Die Berufung auf den Generationsanspruch hat daher oft den Charakter eines Zirkelschlusses, wie etwa bei der »Generation des Unbedingten«, der für die junge Weltanschauungselite des NS geltend gemacht worden ist, oder bei der Ausrufung eines jugendbewegten Minderheit als deutsche »Jahrhundertgeneration«. Die 68er Generationsbehauptung ist historisch jedenfalls auf den später artikulierten Generationsneid der selbsternannten 45er zurück zu führen und hat sich längst von den politischen »Wollungen« entfernt und die nostalgische »Zeitheimat« der alternden Zeitzeugen erreicht. Die lebensgeschichtliche Nachbearbeitung hat inzwischen auch das »andere« Achtundsechzig entdeckt, in der Provinz, bei den Frauen, dem linksalternativen Milieus, den neuen Sozialen Bewegungen usw. Dabei hätte eine Soziologie, die sich ihrer damaligen Untersuchungsergebnisse zur »Generation der Unbefangenen« vergewissert hätte, wissen können, dass eine romantische Nachheroisierung der »Erlebniselite« nur einem aktivistischen Generationsmodell entspricht, das mit der imaginierten Viktimisierung als Kriegskinder nur wenig, mit dem »übersteigerten Wir« einer stilisierten »letzten Gemeinschaft« aber viel zu tun hat.
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