Die technische Kontingenz der Kommunikation
Überlegungen zum Verhältnis von Technik, Kommunikation und Handlung im Anschluss an Systemtheorie und philosophische Anthropologie
Schlagworte:
Künstliche Intelligenz, Handlungstheorie, Systemtheorie, Institutionentheorie, KybernetikAbstract
Der Beitrag problematisiert das Verhältnis von Kommunikation und Handlung im Anschluss an Elena Espositos Analyse der virtuellen doppelten Kontingenz. Virtuelle doppelte Kontingenz setzt Kommunikation als Informationsverarbeitungsprozess, aber auch den kommunikationsinternen Adressbildungsmechanismus sozialer Systeme kontingent. Die dabei auftretenden Unbestimmtheiten haben bereits bei Niklas Luhmann selbst Zweifel an seinem Begriff der Kommunikation geweckt und ihn zu der Vermutung geführt, dass „wichtige Informationsverarbeitungsverfahren unserer Gesellschaft schon nicht mehr als Kommunikation klassifiziert werden“ und dass die Soziologie möglicherweise „den Begriff neu bilden“ (Einführung in die Systemtheorie, S. 314) müsse. Der Beitrag diskutiert im Anschluss an Arnold Gehlen und Gotthard Günther die Möglichkeit der Ergänzung des Kommunikationsbegriffs um einen Begriff der Handlung, der sowohl über kommunikationsinterne Zurechnungen als auch über die graduelle Verteilung von Handlungsbeiträgen auf subjektive Intentionen und objektive Kausalitäten hinausreicht.
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