Muss es immer (Erwerbs-)Arbeit sein?

Von der Kritik an Werkstätten für behinderte Menschen zur Kritik des Leistungsdenkens – und zurück

Autor/innen

  • Sarah Karim Universität zu Köln

Schlagworte:

Erwerbsarbeitsnorm, Disability Studies, Soziologie der Kritik, Kommodifizierung, Behinderung

Abstract

Spätestens seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 stehen die Werkstätten für behinderte Menschen vermehrt in der Kritik. Fragen nach der zukünftigen Ausgestaltung der Einrichtung, ihrer Reformfähigkeit oder den Möglichkeiten ihrer Schließung beschäftigen sowohl den politischen als auch den (heil-)pädagogischen Diskurs. Soziologisch kann die Werkstatt für behinderte Menschen als Einrichtung verstanden werden, die Behinderung in der Erwerbsarbeitsgesellschaft reguliert und die Erwerbsarbeitsnorm stabilisiert. Der Beitrag rekonstruiert drei unterschiedliche Kritikstränge: eine menschenrechtsbasierte Kritik, eine institutionelle Rechtfertigung und eine heilpädagogisch-anthropologische Exklusionskritik. Die drei Kritiken setzen sich implizit mit der Frage nach der (De-)Kommodifizierung behinderter Menschen auseinander; zugleich blenden sie ein mögliches Recht auf Nicht-Arbeit aus.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Erwerbslosigkeit unter den Bedingungen gesellschaftlicher Transformation. Polarisierung der Erwerbsarbeitsnorm?