Autonomie – Gelehrsamkeit – Ignoranz

Exemplarische Deutungen materieller Unterlegenheit bei gering verdienenden Männern in prekären Paarhaushalten

Autor/innen

  • Mona Motakef Technische Universität Dortmund
  • Prof. Dr. Christine Wimbauer HU Berlin

Schlagworte:

Paare, Prekarität, Männlichkeit, Paarinterview, Geschlecht, Ungleichheit

Abstract

Was in Paarbeziehungen als Eigentum gilt und wie es gedeutet wird, ist eng mit Männlichkeit verknüpft. Gerade in prekären Lebenslagen können hegemoniale Männlichkeitsvorstellungen wie die Ernährermännlichkeit kaum oder nicht realisiert werden. Paare in prekären Lebenslagen müssen zudem aushandeln, wer Eigentum, Besitz, aber auch Schulden, verantwortet – also ein*e Partner*in oder das Paar gemeinsam. Wie wird also Eigentum in Paaren in prekären Lebenslagen verhandelt und wie wird dabei Männlichkeit relevant?

Empirische Grundlage ist eine Studie, die wir im Rahmen des DFG-Projekts „Ungleiche Anerkennung? Arbeit und Liebe im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter“ durchgeführt haben. Wir befragten 24 prekär Beschäftigte – Paare und Menschen ohne Paarbeziehung – mittels Paar- und Einzelinterviews. Theoretisch nahmen wir eine geschlechter- und ungleichheitssoziologische und eine Anerkennungsperspektive ein. Wir fragten nach den Wechselverhältnissen aus unsicherer Erwerbsarbeit, Anerkennung und den vergeschlechtlichten Lebenszusammenhängen der prekär Beschäftigten. Zudem fragten wir, ob an der Ernährerrolle als zentrale Handlungsorientierung festgehalten wird, auch wenn Männer diese nicht realisieren können. Oder wird die enge Kopplung von Männlichkeit und Erwerbsarbeit brüchig und gewinnt Sorge (caring masculinity) als Handlungsorientierung an Bedeutung? Wir präsentieren drei Konstellationen des männlichen Umgangs mit prekären Eigentumsverhältnissen: 1. Nach einer Erschöpfungserkrankung als Führungskraft entscheidet sich Walter W. bewusst gegen Sicherheiten und erprobt sich als autonomer Einsiedler im Verzicht auf Eigentum und Nähe. 2. Die geringe Kompetenz von Ben B. mit (ihren) Finanzen und Eigentum umzugehen führt dazu, dass er zunehmend zu einem „gelehrsamen Schüler“ seiner Partnerin wird. 3. Clemens C. versteht sich als „Eigenbrötler“ und wertet die Anstrengungen um Einkommen und Eigentum seiner Partnerin, die Familienernährerin der vier-köpfigen Familie ist, als sinnlosen Ausdruck ihres Arbeitseifers ab. Im Ergebnis argumentieren wir, dass die Ernährermännlichkeit durchaus weiter angestrebt wird, auch wenn sie nicht realisiert werden kann. In wenigen Fällen kann sie auch und insbesondere im Zusammenhang mit einer „beruflichen Nichtanerkennungsresistenz“ in der Handlungsorientierung an Bedeutung verlieren, womit sich aber große Ambivalenzen, d.h.  sorgelose Selbstzentrierungen eröffnen.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Was meins ist, soll auch deins sein!? – Eigentum in ent/polarisierten Paarwelten