Wohnungslos in der Stadt
Soziologische Perspektiven auf Exklusionsdynamiken im Wechselspiel individueller, raumstruktureller und institutioneller Kontexte
Schlagworte:
Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, Exklusion, Armut, Stadt, Sozialpolitik, WohlfahrtsstaatAbstract
Wohnungs- und Obdachlosigkeit gehören zu den prekärsten Ausdrücken von Armut, Marginalisierung und sozialer Exklusion, die von einem vergleichsweise (noch) gut ausgebildeten Sozialstaat einer reichen Industrienation wie Deutschland „eigentlich“ verhindert werden müssten. Die Zahl wohnungsloser Menschen ist seit 2010 jedoch angestiegen. Daher stellt sich die Frage nach den Gründen.
Der vorliegende Beitrag fokussiert die Wechselwirkungen individueller, institutioneller und raumstruktureller Kontexte bei der Entstehung und Verfestigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Im Mittelpunkt steht die Herausarbeitung einer Heuristik, mit Hilfe derer Bedingungen identifiziert werden, die sich für das Auftreten von Wohnungsnotfällen als ausschlaggebend erweisen können. Anhand des empirischen Falls einer mittelgroßen Universitätsstadt sollen die intendierten wie nicht-intendierten Mechanismen des (partiellen) Ausschlusses von sozialstaatlichen Leistungen auf kommunaler Ebene identifiziert werden, stets unter der Berücksichtigung der individuellen Dispositionen und Biographien, der kommunalen (Regulierungs-)Praktiken sowie des faktischen Versagens (gesamt-)staatlicher wie marktlicher Rahmenbedingungen.
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