"Man wirft der DDR ja viel Negatives vor"

Bildungserfahrungen im Spannungsfeld von biographischen Erinnerungen und kollektivem Wissen

Authors

  • Michael Corsten Universität Hildesheim
  • Melanie Pierburg Universität Hildesheim

Keywords:

DDR, Bildung, Zeitzeugenschaft, Biographieforschung, Positionierungsanalyse

Abstract

In unserem Beitrag setzen wir uns mit der Frage auseinander, wie Spannungsverhältnisse zwischen biographischen Erfahrungen und gesellschaftlichen Diskursen narrativ bewältigt werden können. Dazu greifen wir auf Datenanalysen zurück, die wir in dem Projekt Mythen in erzählten Bildungs- und Kindheitserfahrungen der DDR vornehmen. Anhand eines Falles rekapitulieren wir, wie ein Interviewter nach der Wiedervereinigung von unterschiedlichen Bildungserfahrungen in der DDR berichtet, die er über die Komposition von erzählter Zeit und Erzählzeit mit dem vorherrschenden kollektiven Wissen verbindet. Dabei entwickelt er drei Motive, die sich auf seinen Deutschunterricht, sein Engagement in der Evangelischen Studentengemeinde und die schulöffentliche Bekanntmachung des Putsches in Chile 1973 beziehen. In unserer Rekonstruktion zeigen wir, wie der Interviewte über Positionierungen in der erzählten Zeit und der Erzählzeit sowie unterschiedlichen Zuschreibungen von Zeitzeugenschaft ein Positionierungstableau entwirft, in dem seine biographische Perspektive einen anerkennungsfähigen Platz erhält.

References

Assmann, Jan. 1988. Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Kultur und Gedächtnis, Hrsg. Jan Assmann und Tonio Hölscher, 9–19. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Bundesministerium für Bildung und Forschung. 2018. Wissenslücken über die DDR schließen. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/wissensluecken-ueber-die-ddr-schliessen.html#searchFacets (Zugegriffen: 5. Januar 2023).

Corsten, Michael. 2022. Biographie zwischen sozialer Funktion und sozialer Praxis. In: Handbuch Biographie. Methoden, Traditionen, Theorien, Hrsg. Christian Klein, 143–151. Stuttgart: Metzler.

Corsten, Michael, Simon Gordt und Melanie Pierburg. 2023. Schicksal oder Romantik? Identifikation und Rekonstruktion von Bildungsmythen in erzählten Bildungserfahrungen der DDR. Zeitschrift für Pädagogik 69 (Beiheft):90–105.

Grelak, Uwe, und Peer Pasternack. 2022. Konfessionelle Bildungswesen in der DDR. In: Erziehungs- und Bildungsverhältnisse in der DDR, Hrsg. Jakob Benecke, 247–269. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Habermas, Tilmann. 2006. »Kann ich auch ganz, ganz am Anfang anfangen, als ich noch ganz klein war?« Wie Kinder und Jugendliche lernen, Lebenserzählungen zu eröffnen und zu beenden. In: Warum Menschen sich erinnern können. Fortschritte in der interdisziplinären Gedächtnisforschung, Hrsg. Harald Welzer und Hans J. Markowitsch, 256–275. Stuttgart: Klatt-Cotta.

Halbwachs, Maurice. 1985. Das kollektive Gedächtnis. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer.

Jafke, Larissa, Laura Maleyka, Holger Herma, Karsten Spindler, Michael Corsten und Kathrin Audehm. 2022. Sich als Subjekt des Sprechens über das eigene Leben einführen. In: Positioning the Subject. Methodologien der Subjektivierungsforschung / Methodologies of Subjectivation Research, Hrsg. Saša Bosančić, Folke Brodersen, Lisa Pfahl, Lena Schürmann, Tina Spies und Boris Traue, 115–138. Wiesbaden: Springer VS.

Labov, William, und Joshua Waletzky. 1967. Narrative Analysis: Oral Versions of Persona Experience. In: Essays on the Verbal and Visual Arts: Proceedings of the 1966 Annual Spring Meeting of the American Ethnological Society, Hrsg. June Helm, 12–44. Seattle: University of Washington Press.

Lucius-Hoene, Gabriele und Arnulf Deppermann. 2004. Narrative Identität und Positionierung. Gesprächsforschung – Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 5:166–183.

Martinez, Matiàs und Michael Scheffel. 2020. Einführung in die Erzähltheorie. 11. Aufl. München: C.H. Beck.

Medjedovic. 2014. Qualitative Daten und für die Sekundäranalyse. In: Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Hrsg. Nina Baur und Jörg Blasius, 223–232. Wiesbaden: Springer VS.

Schütze, Fritz. 1976. Zur Hervorlockung und Analyse von Erzählungen thematisch relevanter Geschichten im Rahmen soziologischer Feldforschung: dargestellt an einem Projekt zur Erforschung von kommunalen Machtstrukturen. In: Kommunikative Sozialforschung. Alltagswissen und Alltagshandeln, Gemeindemachtforschung, Polizei, politische Erwachsenenbildung, Hrsg. Ansgar Weymann, 159–260. München: Fink.

Schütze, Fritz. 1982. Narrative Repräsentation kollektiver Schicksalsbetroffenheit. In: Erzählforschung: ein Symposium, Hrsg. Eberhard Lämmert, 568–590. Stuttgart: Metzler.

Weber, Dietrich. 1998. Erzählliteratur. Schriftwerk – Kunstwerk – Erzählwerk. Vandenhoeck & Ruprecht.

Film

Kleinert, Andreas. 2021. Lieber Thomas. Deutschland.

Downloads

Published

2023-09-29

Issue

Section

Sektion Biographieforschung: Polarisierende Gesellschaftsgeschichte(n) – polarisierte Gedächtnisse