Editorial

Autor/innen

  • Georg Vobruba

Abstract

»Jetzt geht es darum, nach vorne zu blicken.« Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das ist die übliche Formel, mit der Politiker [1] Verantwortung abzuschütteln versuchen.

Man wird viele der Akteure, die für die gegenwärtigen (Zwischen-) Ergebnisse der Bologna-Reform verantwortlich sind, so einfach nicht los werden. Aber man sollte ihnen genau auf die Finger schauen, wenn sie sich nun als Experten für die Reform der Reform anbieten. Nicht, weil man sie verdächtigen muss, dass sie Verbesserungen nicht wollen, nein, schlimmer: weil sie es nicht können. Weil, wenn man die Hochschulpolitik weiter der alten Bologna-Garde überlässt, noch mehr Schaden angerichtet werden könnte.

Die Zeichen, dass man – schon wieder – das Gute will, aber das Chaos schafft, sind nicht zu übersehen:

  • Mehr internationale Mobilität war beabsichtigt. Weniger Mobilität (international und national) der B.A.-Studierenden ist dabei rausgekommen. Nun wird zur Abhilfe vorgeschlagen, Auslandssemester zusätzlich zur sechssemestrigen Regelstudienzeit vorzusehen. De facto wird damit die Studienzeit also verlängert.
  • Weniger Studienabbrüche sollte die B.A./M.A.-Struktur bringen. Das Ergebnis: In manchen Studiengängen sind die Abbrecherzahlen tatsächlich zurückgegangen, in anderen haben sie noch zugenommen. Vor allem aber: Der überwiegenden Mehrheit der Studierenden reicht der B.A.-Abschluss nicht, die meisten wollen weiter studieren. Das relativiert die gesunkenen Abbrecherquoten als Erfolgsausweis dramatisch. Denn die Studierenden selbst sehen den B.A. nicht als ausreichenden Abschluss an. Wer nach dem B.A. weiter studieren will, daran aber gehindert wird – für den ist der B.A. kaum etwas anderes als ein (völlig unfreiwilliger) Studienabbruch.
  • Bessere Betreuungsrelationen, wenigstens im M.A.-Studium waren anvisiert. Einerseits eine erfreuliche Aussicht, andererseits aber wollen über 75% der B.A.s weiter studieren. Da ist es ein Zeichen erfreulicher Konsequenz, wenn Frau Schavan versichert, dass jeder, der will, einen M.A.-Studienplatz bekommt. Nur: Diese Konsequenz muss Konsequenzen haben – die dafür zusätzlich erforderlichen Kapazitäten müssen finanziert werden. Wenn nicht, dann bleibt es bei dem gewohnten Massenstudium bis zum zweiten Abschluss, der nun bedeutend viel später erreicht wird als in den alten Strukturen.

Dies als Zwischenbetrachtungen zum Stand der Aufblähung.

 

Zur Fußnote. Es gibt keine ausgearbeitete Soziologie der Ironie. Das ist bedauerlich, denn Ironie bezeichnet sehr voraussetzungsvolle soziale Konstellationen, für deren Untersuchung die Soziologie prädestiniert ist. Ironie entsteht aus der Differenz zwischen dem expliziten Inhalt einer Mitteilung und ihrem impliziten Sinn, der sich aus dem gemeinsamen Vorverständnis aller an der Konstellation Beteiligten ergibt. Es wäre interessant, die Bedingungen gelingender Ironie unter den Wissensbedingungen der Moderne genau zu untersuchen. Noch aufschlussreicher könnte die Anschlussfrage sein, unter welchen (institutionellen) Bedingungen Ironie nicht möglich ist. Und schließlich: warum es so verlockend ist, in ironiefernen Konstellationen dennoch Ironie zu versuchen. Oder gerade dort.

Mehr lässt sich im Moment dazu nicht sagen; schon deshalb,  weil Ironie, die als Ironie deklariert wird, keine Ironie ist. (John Lennon begründet in »A hard day’s night« seinen Wunsch, das Zugfenster wieder zu öffnen, so: »...weil ein Zug ohne Zug kein Zug ist.«) Was diesmal direkt ins Heft führt.

 

Ihr

Georg Vobruba

 

 

[1] Im Interesse der leichteren Lesbarkeit wird hier nur die männliche Form verwendet. Die weibliche ist selbstverständlich immer mit gemeint.

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Veröffentlicht

2016-08-17

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