Beruf(en) im Verkauf
Analyse subjektiver Bedeutungen von Arbeit als Beitrag zur sozialen Ungleichheitsforschung
Schlagworte:
soziale Ungleichheit, subjektive Bedeutung von Arbeit, Arbeitsethos, Dienstleistungsarbeit, LebensmitteleinzelhandelAbstract
Seit einigen Jahren wächst der Niedriglohnsektor in Deutschland und es häufen sich Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen im sogenannten unteren Dienstleistungssegment. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie sich Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel selbst innerhalb der Gesellschaft positionieren und inwiefern ihre Sicht auf ihre Arbeit relevant ist für ein Verständnis sozialer Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Unter Einbeziehung des Habitus-Konzepts von Bourdieu und dem Verständnis von Subjekt als Subjektkonstitution von Becker-Schmidt und Knapp wurden 18 Leitfaden-Interviews mit Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel in tiefer gehenden Einzelfallanalysen ausgewertet. Im Ergebnis werden drei Thesen vorgestellt: Die Beschäftigten haben ein hohes Arbeitsethos, sie verinnerlichen die Unternehmenserwartung von Effizienz, Produktivität und Wirtschaftlichkeit und erfahren kollegiale Wertschätzung. Das bedeutet, dass Menschen auch unter schlechten Arbeitsbedingungen gute Arbeit leisten und dass sie ihren sozialen Status durch Bezug auf kapitalistisch orientierte Leistungsfähigkeit aufzuwerten versuchen.
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