Beruf(en) im Verkauf

Analyse subjektiver Bedeutungen von Arbeit als Beitrag zur sozialen Ungleichheitsforschung

Autor/innen

  • Antonia Kupfer TU Dresden
  • Falk Eckert
  • Ina Krause TU Dresden

Schlagworte:

soziale Ungleichheit, subjektive Bedeutung von Arbeit, Arbeitsethos, Dienstleistungsarbeit, Lebensmitteleinzelhandel

Abstract

Seit einigen Jahren wächst der Niedriglohnsektor in Deutschland und es häufen sich Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen im sogenannten unteren Dienstleistungssegment. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie sich Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel selbst innerhalb der Gesellschaft positionieren und inwiefern ihre Sicht auf ihre Arbeit relevant ist für ein Verständnis sozialer Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Unter Einbeziehung des Habitus-Konzepts von Bourdieu und dem Verständnis von Subjekt als Subjektkonstitution von Becker-Schmidt und Knapp wurden 18 Leitfaden-Interviews mit Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel in tiefer gehenden Einzelfallanalysen ausgewertet. Im Ergebnis werden drei Thesen vorgestellt: Die Beschäftigten haben ein hohes Arbeitsethos, sie verinnerlichen die Unternehmenserwartung von Effizienz, Produktivität und Wirtschaftlichkeit und erfahren kollegiale Wertschätzung. Das bedeutet, dass Menschen auch unter schlechten Arbeitsbedingungen gute Arbeit leisten und dass sie ihren sozialen Status durch Bezug auf kapitalistisch orientierte Leistungsfähigkeit aufzuwerten versuchen.

Autor/innen-Biografien

Antonia Kupfer, TU Dresden

Prof. Dr., seit 2014 Professorin für Makrosoziologie an der Technischen Universität Dresden, davor Senior Lecturer an der University Southampton, UK. Arbeitsschwerpunkte: soziale Ungleichheit, Bildungs- und Arbeitssoziologie, Geschlechterverhältnisse, Macht.

Falk Eckert

M.A., war bis März 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dresden. Seine Forschungsgebiete sind: Arbeitssoziologie, soziale Ungleichheit, Emotions- und Kultursoziologie sowie Verfahren der qualitativen Sozialforschung.

Ina Krause, TU Dresden

Dr., ist seit 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dresden in Lehre und Forschung tätig und hat zuvor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich Arbeitsmarkt- und Organisationsforschung sowie soziale Ungleichheit.

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Veröffentlicht

2019-09-10

Zitationsvorschlag

[1]
Kupfer, A., Eckert, F. und Krause, I. 2019. Beruf(en) im Verkauf: Analyse subjektiver Bedeutungen von Arbeit als Beitrag zur sozialen Ungleichheitsforschung. Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018. 39, (Sep. 2019).

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Gesellschaftliche Bedeutung subjektiver Arbeitsaneignungen