Erbe unter Spannung

Umstrittene Denkmale und die Refiguration der Vergangenheit

Autor/innen

  • Jochen Kibel TU Berlin

Schlagworte:

Raumsoziologie, Refiguration, Erbe, Architektursoziologie

Abstract

Die umstrittene Vereinnahmung der Vergangenheit steht im Zentrum gesellschaftspolitischer Konflikte. Im Folgenden wird der Erbebegriff Derridas für die Betrachtung erinnerungskultureller Debatten nutzbar gemacht. Erben wird als eine Modalität des Erinnerns gefasst, die Plätze, Gebäude und Denkmale in ihrer räumlichen Bedeutung immer wieder neu und spannungsreich hervorbringt. Die Spannungen zwischen unterschiedlichen Imaginationen von Gesellschaft müssen als Deutungskämpfe um Kultur verstanden werden, die sich auch im Umgang mit dem baukulturellen Erbe artikulieren. In diesen Debatten konkurrieren nicht nur unterschiedliche Vergangenheitsbezüge, sondern ebenso räumliche Deutungsmuster. Deshalb gestattet eine raumsoziologische Perspektive, die konkurrierenden Verräumlichungen des Erbes im Sinne einer Refiguration von Räumen zu deuten. Ein anschauliches Beispiel dafür bildet der Berliner Stadtraum im Umfeld der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses. Es wird deutlich, dass Denkmaldebatten stets über eine materielle Dimension verfügen und meist mit einer symbolischen (Neu-)Besetzung von Orten einhergehen, an denen unterschiedliche Räume diskursiviert werden. Die Demarkationslinie erinnerungspolitischer Kämpfe verläuft dabei nicht mehr (ausschließlich) zwischen ost- und westdeutschen kollektiven Erzählungen, sondern quer zu diesen (auch) im Hinblick darauf, wie die Vergangenheit räumlich-materiell beerbt wird.

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Veröffentlicht

2021-08-03

Ausgabe

Rubrik

Sektion Kultursoziologie: Das umstrittene Erbe von 1989 – Gesellschaftliche Aneignungen, Umdeutungen, Erinnerungspolitiken